Zukunftswerk - Nachhaltigkeit genau genommen
Irgendetwas müssen wir tun, gegen den Klimawandel. Da sind sich selbst Luisa Neubauer und Christian Lindner einig. Doch wenn es um das wie geht, dann scheiden sich die Geister. Genau dieses "wie" erkunden wir im Zukunftswerk Podcast. Ausführlich und detailreich, so besprechen wir die komplexen Fragen rund um Nachhaltigkeit und Klimawandel in Politik und Wirtschaft. Dabei schauen wir uns an, wie diese großen Themen konkret uns, unseren Alltag und unsere Arbeit beeinflussen werden. Wir, das ist die Zukunftswerk e.G., die wahrscheinlich südlichste Nachhaltigkeitsberatung Deutschlands, ein kleines Team mit langjähriger Erfahrung in der Nachhaltigkeitsberatung, der CO2-Bilanzierung, dem Emissionszertifikatehandel und mit einem großen Interesse an einer zukunftsfähigen Gesellschaftsgestaltung. Mehr zum Zukunftswerk und den Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit gibt es hier: www.zukunftswerk.org/blog
Zukunftswerk - Nachhaltigkeit genau genommen
Limits to Growth: A talk with Timothée Parrique about Degrowth, Green Growth and Decoupling
We've noticed that this interview is of interest to a big international audience. For all of those listeners: The interview starts at minute 09:27.
Stetiges Wirtschaftswachstum ist erstrebenswert—so lautet zumindest der Konsens. Doch kann eine ständig wachsende Wirtschaft nachhaltig sein?
Eine 1972 veröffentliche Studie des Club of Rome und das darauf basierende Buch „Die Grenzen des Wachstums“ beantworteten diese Frage nicht nur mit einem klaren nein, sondern erläutern weiter, dass Wachstumsprozesse absolute Grenzen haben. Seien diese erreicht, wird weiteres Wachstum nicht nur unmöglich, es könnte zudem zu einem Zusammenbruch des Systems kommen. Diese Grunderkenntnisse des Buches werden bis heute viel diskutiert, doch an unserem Wirtschaftssystem änderte das bislang wenig.
Nun, 50 Jahre später, stehen wir immernoch vor der gleichen Frage: Kann Wirtschaftswachstum nachhaltig werden? Von den Grünen, über die FDP, bis hin zur CDU lautet die Antwort nun “Ja". Grünes Wachstum und die Entkopplung (Decoupling) von Wirtschaftsprozessen und Umweltschäden, sollen die Wirtschaft dazu verbringen, in den kommenden Jahrzehnten weiter zu wachsen—diesmal auf nachhaltig Weise.
Doch die Wissenschaft ist weiterhin skeptisch. Deshalb wir mit dem französischen Politökonomen PhD Timothée Parrique über das vermeintliche Potential der Entkopplung sowie über die alternativen und wachstumskritischen Wirtschaftstheorien „Degrowth“, „A-Growth“, und „Postwachstumstheorie“.
Buchempfehlungen von Timothée Parrique
Quellen:
Grenzen des Wachstums (Donella Meadows, Dennis Meadows, Jørgen Randers; 2002) | Zusammenfassung durch BpB
Planetare Grenzen (Johan Rockström et al.; 2009): Übersicht vom Stockholm Resilience Centre | Übersicht des Bundesministeriums für Umwelt
Decoupling Debunked (European Environmental Bureau und Timothée Parrique et al., 2019)
Die Donut Ökonomie (Kate Raworth, 2018)
Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change – (IPCC, 2022)
Musik:
Intro Jingle von Steven Reich
Outro Song: Morning Routine by Ghostrifter Official | | Music promoted by https://www.free-stock-music.com | Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 Unported |
Kontakt: steven.reich@zukunftswerk.org | Impressum | Website
Intro 0:00
1972, vor mittlerweile 50 Jahren, veröffentlichten Donella Meadows und ihre Kollegen das das Buch “die Grenzen des Wachstums”. In dem unerwarteten Bestseller stellen die Systemforscher die Ergebnisse ihrer Studie über die Entwicklung verschiedener menschenverursachter Wachstumsprozesse vor. Wie wird so etwas zu einem Bestseller? Ganz einfach, Der Grund für den Erfolg waren die erschreckenden Ergebnisse.
Denn die Forscher kamen zu der Feststellung, dass das exponentielle Wachstum der Weltbevölkerung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion, und des Rohstoffabbaus in den kommenden einhundert Jahren absolute Limits erreichen würden. Diese Wachstums Limits, beruhen zum Einen auf der Endlichkeit der Ressourcen und zum anderen auf den sogenannten Systemgrenzen der Ökosphäre.
Das ist aber noch nicht alles. Die ForscherInnen stellten auch fest, dass das Wirtschaftswachstum, dem all die zuvor genannten Wachstumsprozesse zu Grunde liegen, an den Anstieg der Umweltschäden gekoppelt ist. Mit anderen Worten, wächst die Wirtschaftskraft um 2% jährlich, so steigen auch die Emissionen gemittelt im gleichen exponentiellen Maße.
Die finale Feststellung der Studie besagte, dass es im Falle der Überschreitung dieser Systemgrenzen langfristig nicht nur zum Ende des Wachstums, sondern gar zu ein Zusammenbruch des ökologischen und wirtschaftlichen Systems kommen würde.
1972 waren nur wenige der ökologischen Grenzwerte bereits überschritten. Doch schon bei veröffentlichung der Zweitausgabe im Jahr 2004 stellten die Autoren fest, dass viele Systemgrenzen in den Zwischenjahren überschritten wurden.
Nun, im Jahr 2022 ist eindeutig klargestellt das mehrere Grenzen weit überschritten sind. Doch ein Ende des Wachstums ist bei weitem nicht in Sicht. Deshalb erkunden wir heute die Grundfrage der Nachhaltigen Entwicklung:
Kann Wirtschaftswachstum von Umweltschäden und Ressourcenverbrauch abgekoppelt werden. Können wir in der Zukunft auf ein grünes Wachstum setzen, oder müssen wir zum Erhalt eines stabilen Ökosystems, in eine Postwachstumsökonomie übergehen? Eine Antwort auf diese Frage wird es heute nicht geben. Aber wir wollen uns die Argumente für grünes Wachstum, A-Growth, und Postwachstumstheorie genau anschauen und mit Fakten unterlegen.
Die Grenzen im Detail
Später spreche ich mit dem Politikwissenschaftler Timothee Parrique über Degrowth, also plakativ gesagt, dem Ende des Wachstums. Aber erstmal müssen wir dem Titel des Podcast gerecht werden, und den Zusammenhang von Umweltschäden und Wirtschaftswachstum genauer betrachen.
Beginnen wir mit einer kleine Exkursion in die Nachhaltigkeitstheorie. Klingt doch spanned. Da gibt es ein Konzept, die sogenannten planetaren Grenzen, die die Limits der Nachhaltigkeit quantifizieren und verständlicher machen sollen .
Also, es gibt 9 ökologische Belastungsgrenzen: Einige von Ihnen mögen den meisten sehr bekannt sein: Da wären um Beispiel die Konzentration von cfc und anderen Stoffen, die der Ozonschicht schaden. Weitere bekannte Grenzen wären wohl der Süßwasserverbrauch, das Artensterben, die Luftverschmutzung, die Abholzung, und natürlich die Freisetzung von Treibhaushausgasen. Wenig bekannt, aber nicht weniger wichtig, sind die Ozeanversauerung, die Grenzen um den Phosphpor und Stickstoffkreislauf, die auch mit der Fruchtbarkeit unserer Böden zusammen hängen, und die Einführung neuerartiger, oft chemischer, Substanzen in die Ökosphäre. Für jede dieser neun Katergorien gibt es eine sicheren Belastungsraum. Bleibt die Konzentration der Stoffe oder die Intensität dieser Prozesse in dem sicheren Belastungsraum, dann leben wir nachhaltig. Ist die Obergrenze des Belastungsraums überschritten betreten wir den unsicheren Belastungsraum, in dem das System an Stabilität und Risilienz verliert. Die oberste Grenze, ist der sogenannte Kipppunkt. Ist der Kipppunkt überschritten wird das Ökosystem auf kurz oder lang kollabieren. Die Überschreitung eines solchen Kipppunkts wird in Meadows “Grenzen des Wachstums” als overshooting beschrieben, und kann nach einer zeitlichten Verzögerung abrupte und unumkehrbare Veränderungen verursachen.
Und wie sieht aus? Wo stehen wir? Nun, gute Nachricht zuerst in wohl 4 der 9 Kategorien befinden wir uns global noch unter dem sicheren Belastungslimit. Bei der Abholzung und der Klimakrise sind wir zwar im Unsicherheitsbereich, jedoch noch nicht über dem Kipppunkt. Aber, beim Artensterben, beim Stickstoff und Phospor und bei der Einbringung chemischer Substanzen sind die Kipppunkte bereits überschritten. Zudem Rücken wir bei der Klimakrise und der Abholzung immer Näher an die jeweiligen Kipppunkte.
Die Treibenden Kräfte hinter dieser Eskalation sind, wie von Meadows beschrieben das Bevölkerungs und Wirtschaftswachstum. So ist zum Beispiel ein Anstieg des Bruttoinlandsproduktes direkt mit einem Anstieg der Treibhausgasemissionen verknüpft. Seit der Industriellen Revolution seit zu beobachten, das bei wachender Wirtschaft und wachsendem Wohlstand, die ökologische Integrität sinkt. Daher galt bislang, wer Emissionen sinken möchte, müsste eigentlich ein negatives Wirstschaftswachstum in Kauf nehmen. Macht natürlich keiner. Aber wir leben ja mittlerweile im 21 Jahunderten. Müsste es nicht eine Lösung zu diesem Problem geben.
Decoupling und Grünes Wachstum
Es hoffen zumindest viele, das mit dem technologischem Forstschritt diese Kopplung von Umweltbelastung und Wirtschaftswachstum umgangen werden kann. Durch erneuerabre Energien soll der Energieverbrauch klimaneutral werden, durch Recycling soll der Rohstoffverbrauch gesenkt werden, und durch carbon capture and storage Technologien, sollen bereits enstandene Emissionen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Mit der Hilfe dieser und weitere Technologien kann die Umweltbelastung relativ zur Wirstaftskraft gesenkt werden.
Falls eine solche Abkopplung auf dem globalem Level, und nicht nur in den bereits wohlhabenden Ländern, erreicht werden könnte, würde zukunftig Wirtschaftswachstum auch ohne steigende Emissionen möglich sein. Dieses Abkopplungskonzept, auch “decoupling” genannt, ist die Grundlage der deutschen und europäischen Klimastregien. Von den Grünen über die FDP bis hin zur CDU ist das die Grundlage der Pläne.
Und auch der Europäisch Green Deal setzt im Großen Maße auf ein erfolgreiches Decoupling, wie Urusula von der Leyen erklärt: Soundbite
Technologischer Fortschritt der zu umweltfreundlichen Industrien führt, das ist demnach der Lösungsansatz. Und man muss anmerken, in Ländern wie Dänemark und Schweden sind Anzeichen für den Erfolg der Entkopplung bereits seit dem Jahr 2000 zu erkennen. In beiden Fällen stieg das Bruttoinlandsprodukt langsam aber stetig während zumindest die Treibhausgasemissionen gesenkt werden konnte. Das mag vor Allem an der Entwicklung hin zu einer Dienstleistungs und Finanzwirtschaft und weg von den produzierenden Gewerben liegen, doch die positive Enticklung ist nicht von der Hand zu weisen. Der Green Deal setzt darauf diesen Trend auf die gesammteuropäische Wirtschaft zu übertragen.
Wohl gemerkt, sowohl Schweden als auch Dänemark sind noch weit von einer nachhaltigen oder gar klimaneutralen Wirtschaft entfernt. Und dennoch, das Vertrauen in die Innovationskraft des Marktes, mit der Hilfe duch Anreize und Investionen aus der Politik, ist enorm. Gelinge es, den Green Deal weltweit erfolgreich umzusetzten, wäre zumindest der Kipppunkt der Klimakrise umgangen.
Doch aus den Wissenschaften kommt teils immense Kritik. Decoupling kann laut der Kritiker nicht ausrreichend dafür sorgen, unsere Emissionen zu senken. Zumindest nicht dann, wenn die Wirtschaft weiter wächst und der Konsum weiter ansteigt. So meinte Harald Waelzer zum Grünen Wachstum im Interview mit Monitor: Soundbite
Postwachstumstheorien
Klimawissenschaftler-innen stehen dem grünen Wachstum hingegen oft kritisch gegenüber.
So schreibt Dennis Meadows im Schlusswort von “Grenzen des Wachstums”
“Unsere gegenwärtige Situation ist so verwickelt und so sehr Ergebnis vielfältiger menschlicher Bestrebungen, daß keine Kombination rein technischer, wirtschaftlicher oder gesetzlicher Maßnahmen eine wesentliche Besserung bewirken kann. Ganz neue Vorgehensweisen sind erforderlich, um die Menschheit auf Ziele auszurichten, die anstelle weiteren Wachstums auf Gleichgewichtszustände führen.” - Schlusswort Grenzen des Wachstums
Der Politikwissenschaftler Timothee Percrese sieht das ähnlich und geht nocht weiter. Er wirbt für eine Postwachstumsstrategie in dem die Wirtschaftskraft geziehlt gesenkt werden soll. Ich habe mit ihm über Degrowth und decoupling gesprochen:
Interview mit Timothée Parque